Abstimmung: «Fleisch und Glaube, wie passt das?»

Am 22. September stimmen wir über die Massentierhaltung-Initiative ab. Dabei geht es auch um die Frage, was unser Verhältnis zum Fleischkonsum ist. Auch als Christen. Renato Pichler ist Mitglied von AKUT (Verein «Arbeitskreis Kirche und Tiere») und Geschäftsführer von SwissVeg. Er meint in seinem Gast-Blog: Wir sollten zurück zu den Wurzeln unseres Glaubens.

«Kaum eine Religion kennt nicht Vorschriften, welche den Fleischkonsum einschränken. Schon der Apostel Paulus tat sich schwer mit dem Fleischkonsum bzw. dem Verzicht darauf und hat den Konflikt in der Gemeinde in seinem Römerbrief festgehalten (Röm 14,2-6). Bei den ursprünglichen Anhängern Jesu schien der Verzicht auf Fleisch und die Diskussion darüber offenbar weit verbreitet zu sein.

Viele der frühen Kirchenführer sprachen sich sehr deutlich gegen den Fleischkonsum aus: Tertullian (160–222), der heilige Hieronymus (347–419) und der Kirchenlehrer und Bischof, der heilige Basilius (330–379).

Von letzterem sind diese klaren Worte überliefert: «Der Leib, der mit Fleischspeisen beschwert wird, wird von Krankheiten heimgesucht; eine mässige Lebensweise macht ihn gesünder und stärker und schneidet dem Übel die Wurzel ab. Die Dünste der Fleischspeisen verdunkeln das Licht des Geistes.»

Erst im 4. Jahrhundert, als der römische Kaiser Konstantin, der die vegetarische Lebensweise strickte ablehnte, das Christentum zur Staatsreligion machte, wurde der Fleischverzicht aus dem Christentum (und aus der Bibel) verdrängt.

Heute ist es an der Zeit, diesen Schritt nochmals zu überdenken.

Neben den Gründen, welche bereits die frühen Christen hatten, die gegen das Töten der Tiere zu Nahrungszwecken sprechen, gibt es heute noch viele zusätzliche: Es gab damals noch keine Massentierhaltung, keine Überzüchteten Hochleistungstiere, die mit unnatürlichem Kraftfutter gemästet werden.

Allein in der kleinen Schweiz werden jährlich 83 Millionen «Nutztiere» geschlachtet. Das sind 160 leidensfähige Mitgeschöpfe, die jede Minute ihres Lebens beraubt werden, bloss damit wir Fleisch essen können.

Die Religion der Liebe sollte nicht das Töten im Akkord in den Schlachthäusern unterstützen. Jesus verurteilte Tieropfer und jagte die Tierhändler schon vor rund 2000 Jahren aus dem Tempel (Joh. 2,13). Beim Übergang vom jüdischen zum christlichen Glauben wurden alle Tieropfer abgeschafft, weil sie nicht zu einer Religion der Liebe passten.

Auch wenn man zum Ursprung zurück geht (zur 1. Seite der Bibel) fallen Tiere als Nahrungslieferanten weg:

«Dann sprach Gott: Siehe, ich gebe euch alles Gewächs, das Samen bildet auf der ganzen Erde, und alle Bäume, die Früchte tragen mit Samen darin. Euch sollen sie zur Nahrung dienen.» (Moses 1,29)

Sich heute an diese veganen Wurzeln zu besinnen, wäre ein radikaler Schritt, den die Kirche als Ganzes modern und fortschrittlich erscheinen liesse. «Die Kirche» besteht jedoch nicht nur aus den Würdenträgern wie Bischöfe oder dem Papst. Alle, die sich dieser Kirche zugehörig fühlen, sind Teil davon und können diese auch formen. Für Jesus stand die Eigenverantwortung über dem Buchstaben der Pharisäer. Es brachte ihm auch damals schon grosse Probleme ein (Matt. 12,10-14).

So stellen sich für alle von uns die Fragen: Welche Welt möchte ich erschaffen? Eine in der die Liebe mit allen Mitgeschöpfen vorherrscht oder eine in der die Tiere mit (Todes-)Angst und Schrecken auf die Menschen sehen müssen?»

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3 Gedanken zu „Abstimmung: «Fleisch und Glaube, wie passt das?»“

  1. Die entscheidende Frage ist für mich nicht, ob Jesus vegan lebte, sondern ob er heute Veganer wäre.
    Die Welt hat sich gewandelt, und mit ihr die ethische Dimension dieser Fragestellung.
    Heute geht es um den Fortbestand des höher entwickelten Lebens auf diesem Planeten. Denn ohne eine globale vegane Revolution des Mitgefühls lassen sich Klimawandel, Artensterben, Antibiotikaresistenzen und Pandemien kaum bremsen.
    Zur Zeitenwende lebten weniger als 200 Millionen Menschen auf der Erde. Das sind rund 40 mal weniger als heute. Niemand kam auf die Idee, mühsam angebaute Ackerfrucht an Tiere zu verfüttern. Und es gab keine riesigen Hallen voller grotesk überzüchteter „Nutztiere“ und auch keine Fabrikschiffe, die mit kilometerlangen Schleppnetzen die Meere plünderten.
    Industrienationen importieren heute Getreide, Soja und Fischmehl aus Hungerländern als Tierfutter. Wie Greenpeace berichtete, wurden in Brasilien Indigene vertrieben und ermordet. Dies ausgerechnet in dem Gebiet, in dem das sogenannt „nachhaltige“ Futtersoja angebaut wird, welches unsere Bauern ihren Legehennen, Masthühnern, Truthähnen, Schweinen, Milchkühen und Rindern verfüttern.
    Die Mär von der Selbstversorgung mit glücklichen Kühen, die auf der Weide grasen, entspricht längst nicht mehr der Realität.
    Jesus müsste seine Botschaft der Liebe verleugnen, wenn er heute nicht vegan leben würde. Er stünde wohl ganz vorne in dieser Bewegung, welche dieses himmelschreiende Unrecht beenden will.
    Und als Christenmensch muss man sich fragen: Steht es nicht längst dort?
    Steht er nicht längst an Deck eines Schiffes von „Sea Shepherd“? Steht er nicht Samstag für Samstag in der Fussgängerzone mit einem Laptop und zeigt den Menschen Bilder aus den stickigen Hallen der Massentierhaltung und den blutgetränkten Schlachtfabriken?
    Dringt er nicht in Ställe und Schlachthöfe ein und filmt das Unrecht, das dort geschieht, und nimmt dafür seine Verhaftung in Kauf?
    Tausendfach?

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  2. Welche Welt möchte ich erschaffen? Eine in der die Liebe mit allen Mitgeschöpfen vorherrscht oder eine in der die Tiere mit (Todes-)Angst und Schrecken auf die Menschen sehen müssen?»

    Die Antwort dürfte klar sein, oder?
    Es freut mich, dass dieses Thema von der kath. Kirche Zürich aufgegriffen wird. Zu reflektieren gilt es auch, dass nicht nur die Fleischindustrie sondern auch die Milch-, Fisch- und Eierindustrien genauso unsägliches Leid an den Tieren produzieren…. und das nur, weil wir Konsument.innen dies mit unserem Geld in Auftrag geben.

    Entscheiden wir uns noch heute für eine Welt, in Liebe mit allen Mitgeschöpfen.
    Du entscheidest bei deinem nächsten Einkauf.

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  3. Danke für die eindrückliche Schilderung der Geschehnisse.

    Jesus, der die Liebe verkörpert, würde sich klar gegen das Treiben der Qualindustrien stellen. Meiner Einschätzung nach würde Jesus heute zu 100% vegan leben.

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