Künstliche Intelligenz: «Die Realität wird profaner sein»

Das Schlagwort «Künstliche Intelligenz» wird aktuell inflationär verwendet. Und auch die Kommentare sind nicht immer von Fachwissen begleitet. Die Pfarrei Heilig Geist (Zürich-Höngg) lud den Digital-Experten Guido Berger von SRF zu einem Referat ein.

Guido Berger, wie intelligent ist die künstliche Intelligenz wirklich?
KI wird gleichzeitig unter- wie auch überschätzt. Einerseits haben Sprachmodelle, die natürliche Sprache verarbeiten und generieren können, in den letzten Jahren grosse Fortschritte gemacht. Sie können beispielsweise Dialoge produzieren, die auf den ersten Blick sehr menschlich wirken. Andererseits trauen wir der KI genau deswegen menschliche Eigenschaften und Fähigkeiten zu, die noch nicht vorhanden sind – oder gar nie vorhanden sein werden.

Guido Berger anlässlich des Referates in Heilig Geist (Zürich-Höngg)

Aber KI spricht ja mit mir …
Schon, aber KI versteht nicht, was sie sagt. Man spricht vom sogenannten «stochastischen Papagei»: Die KI plappert etwas, das sie aufgrund der Muster in den Trainingsdaten für eine wahrscheinliche Fortsetzung des Dialoges hält. Wir interpretieren dann «Verstehen», «Bedeutung» oder gar «Bewusstsein» in diese Textfolgen hinein – die Maschine verfügt aber über nichts von alledem.

Wird uns die Künstliche Intelligenz das Paradies auf Erden bescheren oder die Hölle heiss machen?
Das Versprechen ist dasselbe wie bei jeder Mechanisierung: Die KI übernimmt eine Tätigkeit, die Menschen nur bis zu einem gewissen Grad optimieren können, weil Menschen physische Limiten haben. Die Maschine kann dann – dank menschlicher Kreativität – die Tätigkeit immer weiter optimieren und produktiver werden, was zu mehr Wohlstand führt. Aber es ist noch zu früh, um zu beurteilen, ob KI die verheissungsvollen Versprechen wird einlösen können.

Wird die künstliche Intelligenz im Wettstreit mit dem Menschen sein?
Viele Menschen sehen sich als die Krone der Schöpfung – auch solche, die nicht an die entsprechende Bibelstelle glauben. Wir haben Sprache, Kultur und Technologie, können als vielleicht einzige Spezies die Frage nach dem Ursprung des Universums beantworten. Eine künftige Super-Intelligenz würde dieses Selbstbild direkt in Frage stellen. Das erzeugt Ängste. Ich persönlich vermute jedoch, dass die Realität viel profaner sein wird: Die Technologie ist ein Werkzeug, das gewisse Bereiche menschlicher Tätigkeit stark, andere nur kaum verändern wird.

Sie arbeiten bei Radio SRF. Könnte künstliche Intelligenz künftig Moderatoren ersetzen?
KI ist heute schon in der Lage, eine Stimme zu generieren, die ungefähr wie meine klingt. Sie kann ebenso einen Text aufsagen, der ungefähr wie einer von mir wirkt. Doch für wen? Aktuelle Umfragen zeigen, dass eine grosse Mehrheit der Medien-Konsumierenden nicht für KI-erzeugte Inhalte bezahlen will. Wenn ich in einem Podcast über einen Kopfhörer direkt in das Ohr einer Person spreche, entsteht eine menschliche Verbindung, Emotionen, Vertrauen. Eine Maschine kann das nicht. Ich sehe nicht, was der Gewinn eines solchen Anwendungsfalles wäre.

Wüssten Sie als Digital-Experte eine Verwendung für KI in der Kirche – und wenn es nur für ein Experiment wäre?
Bestimmt hatte schon jemand die Idee eines Beicht-Bots – und argumentiert vielleicht damit, dass es leichter fallen könnte, einer Maschine Sünden anzuvertrauen. Ich würde die Wirkung einer solchen Beichte «ins Nichts» aber bezweifeln. Und klar kann sich ein Priester von ChatGPT bei der Predigt helfen lassen. Doch noch mehr durchschnittliche Texte locken nicht mehr Menschen in die Kirche. Klar, im Verwaltungsalltag einer Kirche wird KI eine Rolle spielen, so wie andere Werkzeuge auch. Doch das Kerngeschäft der Seelsorge scheint mir ausserhalb der Reichweite von KI zu liegen.

    

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