Warum 40 Tage?

Es ist kein Zufall, dass die Fastenzeit als Vorbereitungszeit auf Ostern gerade 40 Tage dauert. Das spielt auf viele Geschichten in der Bibel an. 40 Tage lang weilt beispielsweise Mose auf dem Berg Sinai, um das Gesetz zu empfangen. Dabei leuchtete sein Gesicht von innen.  Der Prophet Elija geht nach schweren Depressionen 40 Tage und 40 Nächte zum Berg Horeb, um Gott zu begegnen. Im leisen Säuseln nahm er die göttliche Wirklichkeit wahr. Offensichtlich braucht es diese Zeit, um einer wirklichen Veränderung Raum zu geben und dem Göttlichen, das unser Leben vital halten will, zu begegnen. Außer Mose und Elija gibt es noch eine Reihe von anderen Beispielen zur Zahl 40 in der Bibel: 40 Tage und 40 Nächte dauert nach der Erzählung des Buches Genesis die Sintflut, 40 Jahre irren die Israeliten durch die Wüste, ehe sie in das Gelobte Land kommen. Und schließlich stehen auch am Beginn des Wirkens Jesu 40 Tage: diese Zeit fastet er in der Wüste, bevor er mit einer weltverändernden Botschaft in die Öffentlichkeit tritt.

Archaische Geschichten?

Mir gefallen diese Geschichten, weil sie so grundmenschlich sind. Weil sie auch mir die Fragen stellen, die tiefer gehen als das Alltagsgeschäft. Mit Mose auf dem Berg kann ich fragen, wo sich für mich in den 40 Tagen etwas klärt, wo ich etwas deutlicher fühlen und sehen will. Mit Elija kann ich an den Ort in mir gelangen, wo es ganz still wird, wo ich durchlässig werde für das, was das Leben mir sagen und wohin es mich führen will. Wie die Israeliten kann ich beim Durchzug durch die 40 Tage merken, welche Themen ich im Alltag verdränge oder unterdrücke und die jetzt auftauchen möchten.

Schöne Rechnung?

Dass man von Aschermittwoch bis Karsamstag rechnerisch auf 40 Tage kommt, macht Mathematiker vielleicht stutzig. Ich selber zähle auch 46 Tage! Der Trick ist folgender: Die Sonntage werden nicht zu den “40 Tagen” gezählt und gelten deshalb auch nicht als Fastentage. Die Sonntage als Fest der Auferstehung können durchaus als kleine “Oasen” in der “Wüste” der Fastenzeit betrachtet werden. Da darf man einfach ohne Einschränkungen das Leben feiern.

Lebensweisheit?

Es ist aus meiner Sicht also nicht einfach ein rechnerischer Trick. Es steckt viel menschliche Weisheit drin. Beim Verzichten und Fasten geht es eben nicht um eine verbissene Haltung, die sich etwas beweisen muss oder die sich den Freuden des Lebens verschliesst. Finstere Mienen beim Fasten sind bekanntlich alles andere als christlich. Es geht gerade nicht um eine Show, wer besser verzichtet und konsequenter fastet, sondern es geht darum, was dem Leben dient. Und das Leben lebt von diesem Wechsel von Beschränkung, Disziplin, Fokus und dann wieder das überbordende Feiern von Freude und Freundschaft. Das Fasten hat keinen Selbstzweck. Es dient der Neu-Ausrichtung des eignen Lebens, dem Bewusstsein, wie viel mir im Leben geschenkt ist und damit verbunden der Achtsamkeit gegenüber den weniger Privilegierten.
Fasten bereitet vor auf Ostern, das Fest von Tod und Auferstehung. Fasten ist also Teil des zyklischen Lebens, das nur in diesem Wechsel zur Fülle findet.

Konsequenz oder lebendiger Prozess?

Es gibt Menschen, die lieber über längere Zeit konsequent bleiben, weil dies für sie einfacher ist als nach einer kleinen Oase am Sonntag sich wieder für das Fasten zu motivieren. Wenn es deine Fastendisziplin aber nicht zu grob untergräbt, gönne dir diese Sonntagsoasen. Ich selber gönne sie mir übrigens in alter Tradition zwischen dem Sonnenuntergang am Samstag und dem Sonnenuntergang am Sonntag. Einzig in der Zeit des Heilfastens werde ich auf diese Oasen verzichten, weil sie dann tatsächlich dem Fastenprozess nicht dienen.

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