Begegnung
Frieda Mathis (61) ist eine Pionierin: Die Seelsorgerin leitet zusammen mit Pfarrer Alfred Böni in St. Gallus (Zürich-Schwamendingen) als eine der ersten Religionspädagoginnen eine städtische Pfarrei.
«Theologisch lässt sich lange darüber diskutieren, was Kirche ist oder sein soll. In den letzten Jahren habe ich jedoch zunehmend das Gefühl, dass die Kirche zu wenig fragt: «Was möchtest du als Person, mit deiner Geschichte, in unsere Pfarrei einbringen?» In unserer Pfarrei St. Gallus gehen wir als Team mit den Menschen auf ihrem Lebensweg – durch Höhen und Tiefen. Das fordert uns heraus, denn die Zeiten ändern sich.
Die Kirche darf nicht an etwas festhalten, das längst vergangen ist. Leider erlebe ich die Amtskirche oft als wenig menschennah. Es wird zu oft eine Hierarchie zementiert, der offene Blick auf das Leben und die Mitarbeitenden geht verloren.
Ich bin überzeugt, dass eine Kirche mit mehr Frauen in Leitungspositionen das Bild der Kirche positiv verändern würde. Frauen leben und pflegen eine andere Sprache und Spiritualität. Eine weiblichere Kirche würde zudem an Akzeptanz gewinnen.
Mir ist bewusst, dass der Alltag für viele eine Herausforderung ist, besonders mit Familie, Schule und Beruf. Da hat das Pfarreileben oft einen schweren Stand. Ich erlebe häufig, dass selbst uns nahestehende Menschen fast ein schlechtes Gewissen haben, wenn sie nach längerer Pause wieder zu einem Gottesdienst kommen. Dabei führt niemand Buch über die Häufigkeit der Teilnahme! Mitleben in einer Pfarrei ist mit keinerlei Verpflichtungen verbunden. Wir sind einfach da – und das nicht nur beim Sonntagsgottesdienst. Kirche ist das Verbundensein in jedem Moment unseres Lebens, getragen von Gottes Zusage: «Ich bin mit dir auf dem Weg.»
Vor 25 Jahren trat ich in den kirchlichen Dienst ein, und ich erinnere mich noch gut daran. Mein Wunsch war es, den Religionsunterricht zu einer besseren Erfahrung zu machen, als ich es erlebt hatte. Damals hatten wir einen überforderten Pfarrer, der einmal weinend das Klassenzimmer verliess. Doch dann kam Frau Heer als neue Religionslehrerin, und der Unterricht wurde ein echtes Erlebnis.
Ob meine Bilanz nun stimmt? Es fühlt sich jedenfalls gut an. Die Begegnungen und der Austausch mit den Menschen sind für mich bereichernd und stärkend. Doch das schreibe ich nicht mir zu, sondern weil Gott mich in meinem Tun stärkt. Dafür bin ich jeden Tag dankbar.»
