Mit den Ostertagen feiert die römisch-katholische Kirche das zentrale Fest ihres Glaubens: Den Tod und die frohe Botschaft der Auferstehung von Jesus. Franco Luzzatto* über die mehr denn je gültige Botschaft von Ostern. Der Text erschien im Tagblatt der Stadt Zürich.
«Obwohl wir Friedensikonen wie Gandhi und Mandela für ihren gewaltlosen Widerstand bewundern, sind wir unterdessen fast taub für das Schicksal, das Jesus vor über 2000 Jahren widerfuhr. Seine Kreuzigung, eine unglaublich brutale Hinrichtungsform, wird nur noch gleichgültig zur Kenntnis genommen.
Ähnlich wie all die Horror-Bilder von Toten, die wir in den Nachrichten schon kaum mehr wahrnehmen. Folgendes Gedankenspiel mag uns die Tragweite vor Augen führen: Wie hätte ich diese Hinrichtung aus nächster Nähe als Augenzeugin ausgehalten?
Ostern jedoch erinnert uns daran, dass das Gute gegenüber dem Bösen eine unendliche Stärke besitzt. Das ist eine Erfahrung, die wir in schwierigen Zeiten allzu leicht vergessen. Jesus zahlte einen hohen Preis für sein Beharren auf Liebe und Fürsorge. Er bezahlte mit seinem Leben. Sein eindrücklicher Lebensweg zeigt aber, wie er durch bedingungslose Zuwendung das Leben der Menschen veränderte, denen er auf seinem Weg begegnete. Obwohl er wusste, was ihm drohte.

Mehr noch als die Kreuzigung von Jesus stellt die Auferstehung für den naturwissenschaftlich geprägten Menschen des 21. Jahrhunderts eine intellektuelle Herausforderung dar. Ja, es gehört zum guten Ton abzuwinken im Stile von: «Die Bibel? Ach komm, nichts als Geschichten!» Klar – Jesus erhob sich nicht wie in einem Fantasy-Film aus seinem Grab. Doch ähnlich wie wir die Gegenwart geliebter Menschen auch in ihrer Abwesenheit spüren, erleben Menschen bis heute immer wieder die Hilfe und Nähe Jesu – im Gebet, in der Stille, in Notsituationen oder durch Begegnungen mit anderen.
Es lohnt sich, Ostern nicht mit dem Kopf zu «zerdenken». Ich möchte Sie ermutigen zu glauben und zu hoffen! Glaube und Hoffnung sind zeitlos, wie das Christentum seit 2000 Jahren zeigt. Ob wir uns mit der Kirche auf Kriegsfuss stehen oder nicht. Auferstehung bedeutet für uns heute auch, den Mut zu finden, aus Krisen und Verzweiflung aufzustehen. Heute würde man von «Resilienz» sprechen. Und tatsächlich: Jesus selbst zeigte Courage angesichts widrigster Umstände – ein Vorbild, an dem wir uns orientieren können. Das Leben leben!
Ostern braucht von uns eine bewusste und achtsame Herangehensweise, um ihre tiefere Bedeutung als Fest der Hoffnung und des Neuanfangs zu erleben. Wer sich aber die Zeit nimmt, kann dank Ostern über die Festtage hinausgetragen werden. Ostern beginnt also in unserem eigenen Leben.
Die Tage laden uns ein, aus dem Nichts bedingungslos zu hoffen und zu wagen. In einer Zeit, in der globale Krisen und persönliche Herausforderungen uns oft überwältigen, erinnert uns das Osterfest daran, dass Veränderung möglich ist. So wie Jesus trotz aller Widrigkeiten an seiner Botschaft der Liebe festhielt, können auch wir in unserem Alltag «kleine Auferstehungen» erleben – sei es durch einen Neuanfang nach einem Rückschlag oder durch einen Akt der Vergebung.
Das Kreuz, einst Symbol des Todes, wurde zum Zeichen der Hoffnung. Es steht für die Überwindung von Leid und die Kraft der Liebe. In Zürich, wie überall auf der Welt, können wir diese Botschaft in unser Leben integrieren. Ostern lädt uns ein, die verändernde Kraft der Hoffnung in unserem Leben zu entdecken und selbst zu leben. Denn Ostern ist mehr als ein historisches Ereignis. Ostern ist heute.
Eine Kraft, die allen – und nicht nur ein paar wenigen – an diesem Fest geschenkt wird.»
Zur Person Franco Luzzatto
*Franco Luzzatto ist Pfarrer von St. Felix und Regula (Zürich-Industrie) und Dekan der Stadt Zürich. Er sieht sich als nüchterner Realist. Wie er selbst sagt: Gerade deshalb bewege ihn das Osterfest und seine Bedeutung jedes Jahr, als ob es das erste wäre.