Palmsonntag: «Das ist auch meine Geschichte»

Der Palmsonntag ist so etwas wie der Endspurt auf die Ostertage zu. Martin Conrad, Seelsorger und Gemeindeleiter in Dreikönigen (Zürich-Enge) betont, dass die 2000 Jahre alte Geschichte des Palmsonntags heute noch etwas mit uns zu tun hat.

Martin Conrad, am Palmsonntag zieht Jesus triumphal in Jerusalem ein, die Menge ist begeistert. Was geht ihnen durch den Kopf, wenn Sie diese Stelle lesen?
Mir kommen die Grossveranstaltungen mit jubelnden Menschenmassen in den Sinn. Da frage ich mich oft, was wirklich echt und was Manipulation ist. Ich bin da eher der nüchterne Typ. Aber auf der anderen Seite lässt es mich nicht kalt, dass Jesus diesen Einzug sorgfältig inszeniert hat. Zu Menschen wie mir, die sich am Jubel der Masse stören, entgegnete er sehr direkt: «Wenn sie schweigen, dann werden die Steine schreien». Die Szene birgt schon eine Wucht in sich!

Martin Conrad, Seelsorger und Gemeindeleiter in Dreikönigen

Triumphaler Einmarsch und ein paar Tage später brutale Hinrichtung. hingerichtet. Was sagt das über uns Menschen aus?
Das sehe ich weniger kritisch. Die Menschen in Jerusalem damals lebten in einem von einer fremden Militärmacht besetzten Land, die ihre religiösen Überzeugungen teilweise bekämpfte. Einige Jahre später zerstörte diese ja sogar ihren heiligsten Ort, den Tempel. Also: Ich kann gut nachvollziehen, dass sie in ihrer Verzweiflung einem vermeintlichen Heilsbringer begeistert zujubeln.  Und dass sie ihn – entsprechend manipuliert – auch schnell wieder fallen lassen, als er ihren Vorstellungen nicht entspricht.

Wir feiern mit Palmzweigen den Gottesdienst – das ist ja vermutlich mehr als nur Deko.
Ja, sicher, hier wird der Bruch vom Jubel zur Ablehnung beeindruckend inszeniert: Alle ziehen mit Palmzweigen in den Händen und dem Gesang des «Hosanna» in die Kirche ein – und dort geht der Gottesdienst weiter mit dem Lesen der Passionsgeschichte, also der Erzählung von Jesu Leiden und Tod. Wir erleben die Geschichte noch einmal.

Als Christen haben wir Ostern stärker vor Augen als den Palmsonntag – warum gilt es den Palmsonntag trotzdem bewusst zu feiern?
Jesus ist nicht aus dem Nichts auferstanden! Sein gutes Wirken für uns ist nicht «nur» seine Auferstehung. Er hat die Botschaft, dass Gott Interesse an uns Menschen hat, dass er uns liebt, durch sein ganzes Leben getragen. Zu dieser Botschaft seiner Liebe gehört auch, dass er ihr treu bleibt auch da, wo er verfolgt, gefoltert und schliesslich getötet wird. Deshalb gehört zum Osterfest auch die ganze Vorgeschichte mit dem Einzug in Jerusalem. Man spürt hier die noch ungetrübte Kraft der Botschaft.

Die Bibel schildert die letzten Tage vor Ostern hin sehr intensiv. Was empfehlen Sie persönlich bei der Lektüre dieses Textes?

Es hilft, sich bei der Lektüre zu fragen: Wer bin ich in diesem Text? Einer von denen, die Jesus dem Leiden ausliefern? Einer der Soldaten, die auf Befehl Jesus foltern und kreuzigen? Teil der Jünger, die Jesus allein lassen, ihn sogar verraten? Zu den Mitläufern in der Masse? Zu den Frauen, die unter dem Kreuz ausharren? Plötzlich merke ich, dass die Geschichte auch etwas von meinem heutigen Leben erzählt.

Ein Palmsonntags-Gottesdienst
für Sie

Am Palmsonntag finden in allen der 23 Pfarreien Palmsonntags-Gottesdienste statt. Jede nach ihrem Charakter. So finden Sie auf jeden Fall einen Gottesdienst, der Ihnen entspricht.

Übersicht Palmsonntags-Gottesdienste

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