US-Wahl: Der Heilsbringer und Erlöser

Der Ausgang der US-Wahlen sorgt für Gesprächsstoff. Das hängt mit der kontroversen und gleichzeitig schillernden Person Donald Trumps zusammen. Was macht ihn aber in den Augen der US-Bürger trotz allen offensichtlichen Widersprüchen zum Mann der Hoffnung? Franco Luzzatto (62), Pfarrer in St. Felix und Regula und Dekan der Stadt Zürich, im Interview.

Franco Luzzatto, was haben Sie gedacht, als die Wahl von Donald Trump zum neuen Präsidenten feststand?
«Muss das sein, das bräuchte es nicht auch noch» … Donald Trump ist für mich ein Narzisst. Für mich wirkt er zerstörerisch und selbstherrlich. Ich mag mir nicht vorstellen, dass ein solcher Mensch eine Weltmacht anführt.

Trump ist kein gewöhnlicher Politiker, er präsentiert sich immer wieder als Messias. Sehnen wir uns mehr denn je nach Heilsbringern?
Menschen sehnen sich immer wieder nach Erlösung, nach einem allumfassenden, einfachen und schnellen Heil. Unsere Welt zeigt sich mit vielen Problemen und vielschichtigen, scheinbar kaum lösbaren Situationen. Viele von uns sind in einem Hamsterrad, sei es im Beruf, sei es in der Familie oder in Freundschaften. Die Komplexität für uns Menschen scheint bisweilen übermächtig zu sein. Darin haben einfache Lösungen einen guten Nährboden: Trump, Putins und Co. wachsen dann so schnell wie Pilze in einem feuchtnassen Herbst.

Franco Luzzatto, St. Felix und Regula (Zürich-Hard)

Trumps Referenzen zu Gott und Religion sind sprichwörtlich. Kommt der Mix aus Nationalismus und Religion auch bald in die Schweiz?
Das ist tatsächlich eine wichtige Frage: Ja, und ich meine auch bei uns schon jetzt Ansätze dazu wahrzunehmen. Mit drei, vier kernigen Sätzen die Welt erklären, das ist verlockend, wird aber der Vielschichtigkeit und der Diversität von Welt nicht gerecht.

Warum glauben dann aber die Menschen trotzdem «Propheten» wie Donald Trump & Co.? Lässt sich ohne zu denken leichter glauben?
Nach meiner Erfahrung wollen Menschen grundsätzlich glauben und vertrauen, wollen hoffen auf ein besseres Leben. Das ist eigentlich auch etwas Gutes, wenn Menschen auf ihr Herz hören. Als langjähriger Philosophielehrer und heute als Pfarrer mache ich sicher nicht das Denken schlecht, aber – und das ist für mich entscheidend: Denken vermag nicht zu trösten. Und Menschen wollen in vielfältigen Situationen verstanden und auch getröstet werden.

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