Der deutsche Journalist und Autor Tobias Haberl feiert mit seinem Buch «Unter Heiden» einen fulminanten Erfolg und liegt in den Top-Plätzen der Bücher-Hitparade. Ein Buch über den Glauben – warum schlägt dies so ein? Tobias Haberl ist am 24. Oktober im Rahmen des Lesefestivals «Zürich liest» zu Gast in der Pfarrei Liebfrauen (siehe Box Ende des Artikels).
Das Echo auf ihr Buch ist enorm, sie werden zu Lesungen, Interviews, Diskussionen eingeladen. Denken Sie manchmal nicht: das ist ja irr?
Tobias Haberl: Wenn man ein Buch schreibt, hofft man auf Resonanz. Aber dass «Unter Heiden» so viele Menschen anspricht, damit hatte ich nicht gerechnet. Ich habe ungefähr 80 Lesungen hinter mir, 40 kommen noch, seit Monaten erreichen mich jeden Tag Mails und Briefe wildfremder Menschen. Die einen wollen sich bedanken, andere schicken mir ihre eigenen Texte oder Gedanken. Was ich sagen will: Ja, das alles ist schön und inspirierend, ich habe in den letzten Monaten viel über meinen Glauben gelernt und faszinierende Menschen getroffen, aber es ist auch ziemlich anstrengend, weil ich kaum noch zuhause war.
Warum lesen und begeistern sich die Leute für ihr Buch? Der Glaube ist sonst kein Thema – hier aber schon …
Ich werde immer wieder gefragt, wie das zusammenpasst, auf der einen Seite Erosion des Glaubens und Kirchenflucht, auf der anderen ein so erfolgreiches Buch. Ich glaube, das bedingt sich. 95 Prozent der Menschen kriegen von meinem Buch gar nichts mit und wenn doch, dann wollen sie nichts davon wissen, die restlichen 5 Prozent aber gehen damit extrem in Resonanz und sind dementsprechend motiviert, das Buch zu lesen oder zu verschenken. Ich habe das Gefühl, dass sich viele getröstet und in ihrem Glauben gestärkt fühlen, dass sie ihn nach der Lektüre weniger verstecken, sondern wieder selbstbewusster leben wollen. Inzwischen ahne ich, warum ausgerechnet dieses Buch so einen Wirbel ausgelöst hat: Ich bin keiner der «üblichen Verdächtigen», kein Repräsentant der Kirche, nicht mal ein Theologe, sondern ein gewöhnlicher, ja mittelmäßiger Christ, der aufrichtig über seinen Glauben und seine Zweifel schreibt – darin scheint eine gewisse Kraft zu liegen.
Welches Feedback hat sie am meisten überrascht?
Dem Buch ging ein Essay im «Süddeutsche Zeitung Magazin» voraus, ein Text über das Gefühl, als gläubiger Mensch nicht mehr verstanden zu werden. Damals kamen 500 Leserbriefe, sonst kommen vielleicht zehn oder zwanzig. Das hat mich nun wirklich überrascht. Diese vielen, fast ausschließlich positiven Reaktionen von einer eher linksliberalen und oft kirchenkritischen Leserschaft. Das Buch zieht natürlich vor allem Leser an, die sowieso im Glauben stehen, viel Kritisches landet nicht bei mir, und wenn doch, dann geht es um kirchenpolitische Details. Neulich aber kam eine Mail, die war so unverschämt, dass ich sie fast schon wieder charmant fand: Lieber Herr Haberl, ich habe Ihr Buch gelesen und finde es schlecht. Wenn Sie wissen wollen, warum, melden Sie sich bei mir.
Gab es durch das Buch Begegnungen mit kirchlichen «Kaderleuten»? Wenn ja, was war der Tenor?
Bischof Ackermann aus Trier habe ich im Rahmen einer Veranstaltung kennen gelernt. Bischof Oster und Bischof Voderholzer haben sich aktiv an mich gewendet und zu einem Podcast beziehungsweise Vortrag eingeladen. Beide sind nicht als große Reformer bekannt, und auch mein Buch plädiert ja dafür, nicht von heute auf morgen alles umzuschmeißen, was 2000 Jahre lang gegolten hat. Alle haben sich für mein Glaubenszeugnis bedankt. Ich glaube, ihnen ist schon bewusst, dass Laien im Moment eine höhere Glaubwürdigkeit besitzen als so mancher Kleriker. Trotzdem bin ich in keinem der gängigen Lager und lasse mich von keiner Seite vereinnahmen. Im Zentrum meines Glaubens steht nicht Kirchenpolitik, sondern das Evangelium.
Setzt sie der Erfolg des Buches unter Druck, ein Vorzeige-Katholik sein zu müssen?
Gute Frage, weil ich in den letzten Monaten so viele Menschen kennengelernt habe, deren Leben sich viel intensiver um den Glauben dreht. Manchmal habe ich fast ein schlechtes Gewissen, weil ich «nur in die Messe gehe, bete und gelegentlich in der Bibel lese, ich engagiere mich nicht einmal in einer Gemeinde. Die Wahrheit ist: Ich war kein Vorzeige-Katholik und werde wohl auch keiner mehr, das ändert aber nichts daran, dass ich jeden Tag versuche, Gott zu gefallen – es gelingt halt nicht immer.
Blick in Zukunft: Findet der Glaube seinen Platz wieder offener in der Gesellschaft? Oder drängt er in den Untergrund wie eine Parallelwelt?
Ich bin kein Hellseher. Womöglich stimmt beides, je nachdem, über welche Weltregion wir sprechen. Was viele vergessen: Die Weltkirche wächst, es gab noch nie so viele Christen auf der Welt wie heute. Aber auch für Europa lassen sich keine endgültigen Aussagen machen: Gerade berichtete die «London Times», dass sich in Großbritannien der Anteil derer, die an Gott glauben, unter den18- bis 24-Jährigen in dreieinhalb Jahren fast verdreifacht hat. Unsere Gegenwart ist anstrengend, viele sind verunsichert, manche haben Angst – natürlich kann der Glaube da helfen, und vielleicht erkennen manche Menschen das gerade wieder.
Tobias Haberl am 24. Oktober
am Festival «Zürich liest»
Die Veranstaltung, die von der Pfarrei Liebfrauen organisiert wird, beginnt um 19.00 Uhr im Pfarreizentrum Liebfrauen (Zürich-City). Es ist keine Ticket-Reservation notwendig, es besteht die Möglichkeit einer freiwilligen Kollekte.
Alle Infos finden Sie unter folgendem Link in unsere Agenda.