Die Kunst des Wartens: «Gelassenheit und Entschleunigung üben»

Niemand wartet gerne. Warum eigentlich nicht? Die Philosophin Barbara Bleisch findet: Im Warten können wir viel Gutes finden. Beispielsweise Entschleunigung. Ihre Gedanken vermittelt sie an einem Vortrag in unserer Pfarrei St. Anton am Dienstag, 12. März.

Frau Bleisch, warten wird als lästig empfunden. Was kann uns das Warten aber geben (statt nehmen)?
Normalerweise warten wir ja auf etwas: dass wir dran kommen in der Schlange, dass ein Brief ankommt, dass eine Person auftaucht, dass ein Platz frei wird. Das Warten verliert nur dann an Mühsal, wenn wir es entweder nutzen, um etwas anderes zu tun, oder aber im Warten selbst aufgehen. Dann sprechen wir allerdings nicht mehr von Warten, sondern vom Verweilen: In der Sonne an eine Mauer gelehnt einen Sonnenstrahl geniessen, bis die Person kommt, auf die man wartet. Wenn wir auf etwas Schönes warten, kann uns in einem solchen Moment auch die Vorfreude durchfluten – und die ist je bekanntlich die schönste Freude. 

Wir suchen Entschleunigung, werden bei der unfreiwilligen Entschleunigung, dem Warten, ungehalten? Woher der Widerspruch?
Niemand wartet freiwillig. Entschleunigung suchen wir hingegen in festen Zeitfenstern, die wir in unsere Kalender eingeplant haben. Die Kunst bestünde wohl darin, das unfreiwillige Warten zum willkommenen Anlass umzudeuten, sich in Gelassenheit, Entschleunigung und Achtsamkeit zu üben.

Und wie könnte dies klappen?
Beispielsweise tief durchatmen in der Warteschlange, die Gesichter um einen studieren, die Gerüche wahrnehmen und die Farben und Formen. Aber wer auf ein Prüfungsergebnis wartet, auf ein Organ, oder auf die Nachricht, dass die entlaufene Katze gefunden wurde, für den wird das Warten nichts Heilsames haben. Wir sind in diesen Momenten abhängig, und es steht viel auf dem Spiel. Dies auf die leichte Schulter zu nehmen, ist begreiflicherweise nicht einfach.

Kann man das Warten lernen?
Geduld lässt sich wohl trainieren, ebenso das achtsame Sein im Moment. Das macht das Warten erträglicher. Aber man kann das Warten nicht in einer Weise lernen, dass wir ihm seine Problematik ganz zu nehmen vermöchten. Wie gesagt: Wir warten manchmal ja auch auf ganz gewichtige Dinge. Ich denke, es geht in diesen Situationen eher darum zu akzeptieren, dass nicht alles in unserer Hand liegt – und darin sind wir heute nicht mehr so gut wie früher. 

Worauf warten Sie gerne?
Ich bin leider eher ungeduldig. Gerne warten tue ich, wenn ich unverhofft Zeit geschenkt erhalte, sich also etwa eine Person verspätet und ich ein gutes Buch dabeihabe und noch etwas lesen kann. Oder wenn das Warten an sich zum Ritual gemacht wird, das sich ausschmücken lässt wie die Adventszeit oder die Karwoche. 

Philosophin, Journalistin und Autorin

Seit 2011 moderiert Barbara Bleisch die Sternstunde Philosophie bei Schweizer Radio und Fernsehen SRF. Von 2028 bis 2022 war sie feste Kolumnistin beim Tages-Anzeiger. Neben ihrer publizistischen Tätigkeit unterrichtet Barbara Bleisch am Ethik-Zentrum der Universität Zürich und an der Universität Luzern als Dozentin. Sie gibt uns Denkanstösse zum Thema Warten, das gut zur Fastenzeit als “Wartezeit” auf Ostern passt.

Der Anlass in St. Anton beginnt am Dienstag, 12. März um 19.30 Uhr. Der Eintritt ist frei.

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